Werkstattgespräch Antisemitismus, 29.4.2022

Der Morgen des 29. April hielt keine gute Nachricht bereit: Prof. Samuel Salzborn war leider kurzfristig erkrankt. Was nun? Die Veranstaltung absagen? Nachdem sich mehr als 40 Personen angemeldet hatten? Nein! Und so gelang es noch kurzfristig, Jonathan Kalmanovich/Ben Salomo zur Teilnahme und für einen Impuls zu gewinnen.

Die Teilnehmenden der „Werkstattgespräche Antisemitismus“ von RIAS Hessen in Kooperation mit Zusammenleben neu gestalten wurden bei Eintritt in den virtuellen Raum informiert – und niemand sprang ab. Die Impulse von Dr. Thomas Haury und Jonathan Kalmanovich boten fesselnde und kenntnisreiche Analysen und Einsichten in Strukturen des israelbezogenen Antisemitismus und auch begleitende Diskurse wie z.B. die Abwehr der Erinnerung an die Shoah und damit einhergehende neue nationale Identitätsbehauptungen. Es ging um Täter-Opfer-Umkehr und all jene „toxischen antisemitischen Infobits“ (Jonathan Kalmanovich), die wir ständig hören und lesen. Thomas Haury zeigte zudem auf, wie sehr Antizionismus bereits seit Aufkommen des Zionismus die Diskussion bestimmte, auch bei Antisemiten in den 1920ern. So zeigten sich Kontinuitäten und zugleich ein gewisses Framing gegenüber Israel, auch um mit der NS-Vergangenheit besser zurande zu kommen.

Die sich anschließende Diskussion machte deutlich, wie schwer es ist, zu Israel ein positives Bild in der Mehrheitsgesellschaft zu verankern. Bildungsstrategien gegen Antisemitismus erweisen sich nur bedingt als erfolgreich. Haury betonte, man müsse sich fragen, was denn am Antisemitismus so attraktiv sei. Kalmanovich flankierte, die schnelle Verbreitung immer neuer und immer neu-alter Lügen über „die“ Juden machen es so schwer, Antisemitismus aufzubrechen. Zudem seien Pädagog:innen ja selbst nicht frei von diesem Phänomen. Eine Teilnehmerin unterstrich, es sei wichtig für alle Menschen in Deutschland, ihre Identität zu reflektieren und sich selbst antisemitismuskritisch zu hinterfragen. Ein Zuhörer erzählte, dass in vielen Bereichen das Basiswissen über Jüdisches fehle, Juden gewissermaßen konstruiert und als Welterklärungsmodell genutzt würden. In den Kleingruppen wurde intensiv diskutiert und überlegt, wo anzusetzen sei – welche Berufsgruppen besondere Schulungen brauchten. Am Ende des Tages und der Gespräche zeigte sich: Antisemitismus ist wie eine stets neue Bilder erfindende Maschine. Bildungsstrategien gegen Antisemitismus können aber nur greifen, wenn sich jene, die sie vermitteln, selbst kritisch geprüft haben.

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