Jahresbericht RIAS Hessen
Fokuskapitel I Antisemitismus an Bildungseinrichtungen
Der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Hessen wurden 2022 insgesamt sieben antisemitische Vorfälle gemeldet, die an Hochschulen in Hessen stattgefunden haben. Die gleiche Anzahl antisemitischer Vorfälle wurde aus dem schulischen Kontext gemeldet. Somit wurden in diesen Bildungseinrichtungen zahlenmäßig die meisten Vorfälle nach der Kunstausstellung documenta fifteen (gewertet als Bildungseinrichtung Museum) dokumentiert.
An den Universitäten umfassen vier Vorfälle ausschließlich israelbezogenen Antisemitismus; in drei Vorfällen kam es zu antisemitischem Othering. In den meisten Fällen handelte es sich um verletzendes Verhalten: dies traf auf sechs von sieben Fällen zu. Bei einem Vorfall kam es zu einer Bedrohung.
Antisemitische Vorfälle an Hochschulen
Am 6. Juni 2022 wurden mehrere antisemitische Schmierereien auf dem und rund um den Bockenheimer Campus der Goethe-Universität in Frankfurt gemeldet. Bei den Schmierereien war u.a. „FCK JDN“ und “ JDN TTBXN“, d.h. „Fuck Juden“ oder „Juden totboxen“, zu lesen. Am 8. Juni, nur zwei Tage später, tauchten erneut antisemitische Schmierereien dieser Art auf, auch an Stellen, an denen sie einen Tag vorher entfernt worden waren.
Am 14. Oktober 2022 befand sich eine Person auf einer Party für Erstsemester am selbst verwalteten Studierendenhaus. Als die Person mit Freund:innen anstoßen wollte, kam eine unbekannte Person hinzu und sagte: „Ex oder Jude“. Als die solchermaßen antisemitisch adressierte Person vorgab, jüdisch zu sein, wurde entgegnet: „Was willst du dann hier?“, begleitet von einer drohenden Geste. Umstehende Freund:innen schalten das Securitypersonal ein. Die störende Person entschuldigte sich in einem klärenden Gespräch und wurde der Party verwiesen.
Kategorisierung: Moderner Antisemitismus
Am 15. August 2022 wurde ein selbst verwaltetes Studierendenhaus beschmiert. Die Schmierereien waren zwischen zwei Fenstern zu finden, die mit Israelfahnen dekoriert waren. Neben „Minimalkonsens Antizionismus“ war auch die antisemitische Aussage „Israel hat kein Existenzrecht“ zu lesen.
Am 13. Dezember 2022 wurde ein Hörsaal der Rechtswissenschaften von Demonstrierenden der Gruppe „End Fossil Frankfurt“ besetzt. Während der Besetzung wurden Flyer mit antisemitischen Inhalten verteilt. Darin u.a. der Text: „Wir betrachten die Hamas als Widerstandsbewegung gegen Zionismus und Imperialismus […] Aus dieser Perspektive unterstützen wir die Hamas bedingungslos in ihrem militärischen und nicht-militärischen Kampf gegen Israel“. Die radikalislamische Terrororganisation Hamas verfolgt das Ziel, den Staat Israel mit Gewalt zu beseitigen. Die solchermaßen geäußerte Gewaltfantasie gegen den Zionismus als jüdischer Autonomie geht einher mit einer Ablehnung des Selbstbestimmungsrechts von Jüdinnen und Juden und ruft zu Gewalt gegen diese auf.
Kategorisierung: Israelbezogener Antisemitismus
Am 22. Mai 2022 wurden am Haupteingang der Philosophischen Fakultät der Universität Marburg mehrere israelbezogene antisemitische Schmierereien entdeckt. Am Tag zuvor wurde die palästinensisch-amerikanische Journalistin Shireen Abu Akleh mutmaßlich von israelischen Streitkräften erschossen, was zu Auseinandersetzungen zwischen Palästinenser:innen und israelischen Sicherheitskräften führte. Neben dem Namen der Journalistin waren Slogans wie „Down with Zionism“ oder, „Smash settler colonialism“ zu lesen. Hier wurde demnach israelbezogener Antisemitismus mit dem Vorwurf des Kolonialismus verbunden.
Kategorisierung: Israelbezogener Antisemitismus
Am 9. Juni 2022 entdeckte die meldende Person an einer Laterne auf dem Campus in Marburg einen Sticker mit der Aufschrift „Boycott Israeli Apartheid“. Dieser überdeckte damit einen Sticker „Feminist Zionist“ mit einem Davidsstern und dem Venussymbol abgebildet ist.
Kategorisierung: Israelbezogener Antisemitismus
Durch die letzten Beispiele wird deutlich, dass der mittlerweile weit verbreitete israelbezogene Antisemitismus auch immer wieder die aktuelle politische Entwicklungen im Staat Israel und die Situation zwischen den Palästinensern und Israel nutzt, um sich zu artikulieren.